Bonjour, französische Alpen

Wir überqueren die Grenze zu Frankreich und schon beim ersten Zusammentreffen mit Franzosen stellen wir freudig fest,

dass unsere Schulfranzösischkenntnisse von vor über 40 Jahren doch noch nicht so verschüttet sind. Und so nutzen wir jede Gelegenheit, um mit Franzosen ins Gespräch zu kommen und es klappt immer besser.

Im Gegensatz zu Spanien und Portugal – auch nach Erfahrungen anderer Camper – gehen die Franzosen mit ihren Stellplätzen – auch mit den bezahlpflichtigen – nicht so sorgsam um.

Entweder sind diese bereits bei der Eröffnung unzureichend ausgestattet (zum Beispiel Frischwasser- und Toilettenspülhähne zu dicht nebeneinander) oder sie sind eingerichtet, aber dann kümmert sich kaum jemand darum (Sitzecken mit Gras zugewachsen, Entnahmestellen defekt oder demoliert); und das dann bei gepfefferten Preisen von 20,00 € und mehr.

Die Spanier und die Portugiesen hingegen haben fast immer sehr gepflegte und mehrmals täglich gereinigte Toiletten, also vorbildlich.

Nun fahren wir zunächst nach Argelès-sur-Mer im Département des Pyrénées-Orientales der Region Okzitanien im Süden Frankreichs.

Hier blüht Susanne regelrecht auf, da wir auf unserer jetzigen Reise nun zum letzten Mal ihr geliebtes Meer sehen; es ist zwar sehr windig, aber Meer ist halt Meer. Hier freut sie sich auch wieder auf ihre geliebten Crêpes, ich natürlich auch.

Anschließend geht es nach Bézier, hier waren wir bereits schon einmal auf unserer letzten großen Reise 2018. Wir besichtigen erneut die “Les 9 écluses de Fonseranes”, die Schleusen.

Hier ein kleiner Film, wie eine kleine Yacht durchgeschleust wird:

Die Altstadt von Bézier weist viele kaputte Häuser auf und wir finden sie im Gegensatz zu den Meinungen im Internet nicht berauschend. Ein Lichtblick sind jedoch die wunderbaren gemalten Bilder auf den Häusern, die erst beim näheren Betrachten als Gemälde zu identifizieren sind. Hier eine kleine Auswahl:

Die nächste Station ist Tarascon zwischen Avignon und Arles; hier stehen wir auf einem Campingplatz. Bei einem Übernachtungspreis von mehr als 30,00 € gehört er für uns in die bereits erwähnte Kategorie “vorbildliche” französische Plätze.

Wir hatten uns eigentlich auf das dortige Schloss gefreut, die Besichtigung ist jedoch nicht möglich, da es wegen Filmarbeiten zum Film “Die drei Musketiere” gesperrt ist. Dafür hören wir dann von unserem Campingplatz die “lauten Rufe” der Komparsen und Schauspieler.

In der Innenstadt fallen uns viele kaputte Straßen, verkommene Häuser, nicht vorhandene Fahrradwege und rücksichtslose Autofahrer auf.

Was wir allerdings wirklich toll finden: Diese kleine Biobäckerei, wo wir direkt leckeres dunkles Vollkornbrot erwerben. Wir genießen es abends und erinnern uns an die reiche Brotkultur bei uns in Deutschland.

Den nächsten Halt hat auch meine Tourmanagerin herausgefunden, ein echtes Juwel:

In Hauterives besichtigen wir das “Palais Idéal”.

Es ist so wunderbar, dazu muss ich nun einige Hintergründe (grün) erzählen und zunächst eine umfangreiche Diashow zeigen.

Ferdinand Cheval ging nur sechs Jahre zur Schule, daher beherrschte er die französische Orthographie schlecht und schrieb sie phonetisch. Nach seinem Grundschulabschluss begann er als Dreizehnjähriger eine Lehre als Bäcker.
Nach dem Tod seines ersten Sohnes 1865 gab Cheval die Bäckerarbeit, die er fast ein Dutzend Jahre ausgeübt hatte, auf.

Es wird angenommen, dass die Erfahrungen beim Teigkneten sein späteres Know-how als Konstrukteur beeinflusst hätten. Vom Elend in die Enge getrieben, bewarb er sich als Briefträger und trat 1867 in die Postverwaltung ein. Er wurde für die „Tournée de Tersanne“ eingesetzt, die jeden Tag einen einsamen, dreißig Kilometer langen Fußmarsch bedingte. Diese Tour machte er bis zu seiner Pensionierung 1896.

Die langen Postwanderungen verkürzte Ferdinand Cheval mit seinen Träumereien. Er träumte von einem „Palais Idéal“. Dieser Wunsch wurde erst etwa zehn Jahre später Realität. 1879 fiel er bei seiner Tour in Tersanne über einen Stein. Er steckte ihn ein und fand die nächsten Tage und Jahre weitere Steine, die er mit einer Schubkarre abends nach Dienstschluss auf sein Land brachte, wo er ganz allein an seinem bizarren Schloss baute; die Dorfbewohner bezeichneten ihn als Verrückten.

Als Landbriefträger ohne handwerkliche Ausbildung verwirklichte Ferdinand Cheval sich seinen großen Traum und baute in jahrzehntelanger Arbeit in Hauterives sein höchst eigenwilliges, unter anderem an orientalische Tempelarchitekturen erinnerndes „Palais idéal“ (1879–1912), das ihm eigentlich als Grabmal dienen sollte. Da er hierfür keine Genehmigung erhielt, errichtete er später im gleichen Stil ein kleineres Grabmal, genannt „Tombeau du silence et du repos sans fin“ auf dem Friedhof von Hauterives (1914–1922).

Er wurde dort begraben, nachdem er zwei Jahre nach Fertigstellung im Alter von 88 Jahren gestorben war. Er war zweimal verheiratet, wurde zweimal Witwer, und seine drei Kinder starben vor ihm. Dieses vollständig von einem einzigen Mann erbaute Denkmal ist 12 Meter hoch und 26 Meter lang. Die verschiedenen Teile wurden mit Kalk, Mörtel, Zement und Metallverstärkungen zusammengebaut und gelten auch als Vorläufer des Stahlbetons.

Die Bauten des „Facteur Cheval“ („Postboten Cheval“) galten zunächst als reine Skurrilität, speziell in Architektenkreisen, sie wurden aber von den Vertretern der Surrealisten sehr geschätzt. Später beriefen sich auch andere Außenseiter der Architektur wie Friedensreich Hundertwasser auf den Landbriefträger. Heute werden die Bauten des Landbriefträgers von jährlich über hunderttausend Menschen besucht.

Unser Weg führt uns weiter nach Grenoble. Susanne hatte vorher im Internet einen – den einzigen – Stellplatz gefunden, also folgten wir brav den Schildern und standen dann vor einem wegen Umbau geschlossenen Stellplatz (da hätte man ja auch auf den Hinweissschildern einen entsprechenden Vermerk anbringen können, bevor man die Camper erst alle dorthin lotst); auch ein weiterer Camper steht wie wir etwas ratlos an der Baustelle.

Nun müssen wir gezwungermaßen einen Campingplatz anfahren. Wir bekommen zwar einen Platz, aber für teures Geld und sehr ungepflegt: Gras ungemäht, alte Bretter und anderes Gerät liegt zwischendrin herum, das “Büro” ist ein Unordnungschaos. Okay, die Frau an der Rezeption ist sehr hilfsbereit und nett; insbesondere als ich am Fahrrad einen platten Reifen habe und sie mir eine Werkstatt zeigt.

Blöderweise – da kann ich mir an die eigene Nase fassen – habe ich nicht alles Werkzeug mitgenommen, daher muss ich in die Werkstatt; okay, beim nächsten Trip kommt wieder alles Werkzeug mit. Nachdem der Reifen repariert ist, schauen wir uns die Stadt an und fahren unter anderem mit der “Kugelseilbahn” auf den Berg über der Stadt. Hier haben wir bei 24 Grad und Sonne einen herrlichen Blick über die Stadt und hinauf zu den schneebedeckten Bergen.

Kurz bevor wir den Campingplatz verlassen kommt der Besitzer und spricht uns auf die schlechte Rezension an, die Susanne im Internet über den Platz bereits abgegeben hatte (er bittet uns darum, die schlechten Photos zu löschen). Er und seine Frau hätten den Platz vom Vorbesitzer übernommen, das sei der Grund für den schlechten Zustand.

Das ist zwar für mich keine Entschuldigung für Unordnung und ungepflegtes Gelände, aber Susanne hat dann danach in der Rezension vermerkt, dass er diese Erklärung abgegeben hat.


Kurzfilm über die Abfahrt mit der Kugelseilbahn in Grenoble:

Wir befinden uns ja bereits auf dem Weg in den Norden. Das spüren wir nun auch beim Wetter. In Le Bourget du Lac “begrüßt” uns heftiger Regen und wir bleiben bei einem Spieleabend lieber drinnen in unserem TrauMobil.

Am Folgetag schwingen wir uns bei mässiger Sonne auf die Räder und erkunden die Gegend. Eher zufällig treffen wir auf einen kleinen Fluss und sind verwundert ob der vielen Menschen dort. Dann bemerken wir gespannte Seile und Markierungen über dem Fluss und zahlreiche Kajaks.

Es ist ein Wettbewerb und viele Jungen und Mädchen müssen einen bestimmten Parcour mit Vorwärts- und Rückwärtsfahrten in möglichst schneller Zeit bewältigen.

Wir sind sehr beeindruckt mit welcher Kraft und Geschicklichkeit die Kinder das meistern und bewundern sie eine ganze Zeit lang von der Brücke aus, wo auch Freunde stehen und sie anfeuern.

Im weiteren Verlauf unserer Reise landen wir in Seyssel an einem Stellplatz an der Rhône; es ist ein Platz von “Camping Car Park”. Das ist ein Zusammenschluss von vielen kleineren Stellplätzen in Frankreich, aber auch einigen wenigen in Deutschland, der Schweiz und Italien. Mit einer Karte, die man vorher erwirbt, die ein Leben lang gültig ist und immer wieder aufgeladen wird, kann man bei diesen Stellplätzen einchecken (wer Interesse daran hat, hier der Link dazu: https://www.campingcarpark.com/de_DE/). Diese Stellplätze sind auch die von uns am besten bewerteten Plätze in Frankreich.

In Seyssel besuchen wir noch einen ziemlich grossen Markt und Flohmarkt mit Schmuck, Trödel, Kleidung, Krimskrams etc. Wir haben ihn fast vollständig besucht, dann kommt ein heftiger Platzregen und wir flüchten regelrecht in eine kleine Bäckerei, um dort bei Gebäck und Kaffee dem Regen und den anderen flüchtenden Menschen zuzuschauen.

Jeder kennt das Mineralwasser “Evian”, aber wir kennen den entsprechenden Ort noch nicht; daher fahren wir nun dorthin, nämlich nach Évian-les-Bains. “Evian” macht sehr viel Werbung für sein Mineralwasser, preist es als sehr gesund an und laut Firmeninformation werden pro Sekunde weltweit 55 Evian-Flaschen getrunken. Weltweit heisst, das Wasser wird in Plastikflaschen rund um den Globus transportiert und es ist auch nicht billig.

Hierzu folgend interessanter Hintergrund: Die Stadt Duisburg hatte sich gefragt, ob es überhaupt Sinn macht, “Evian” Wasser um die halbe Welt bzw. auch nach Duisburg zu transportieren:

Evian-Wasser stammt aus den französischen Alpen. In Kunststoffflaschen abgefüllt legt jeder Liter per LKW transportiert von Évian-les-Bains bis Duisburg 767 Kilometer zurück. Macht das Sinn? Um die Frage zu beantworten, haben die Duisburger Stadtwerke jetzt den Spieß einfach umgedreht.

Sie haben es gemacht, wie die Flaschenwasseranbieter. Das Wasser aus den Leitungen der Ruhrgebietsstadt wurde in Kunststoffflaschen abgefüllt und nach Evian gebracht. Ein Truck macht sich auf den Weg und bringt das Wasser aus der Leitung in die Stadt am Ufer des Genfer Sees, von woher das Wasser des Nahrungsmittelkonzerns Danone stammt.

Dort wird das Wasser aus der Ruhrgebietsstadt den erstaunten Bürgern von Évian-les-Bains in einer Blindverkostung zur Trinkprobe angeboten. Diese „Wasser-Gourmets“ zeigen sich erstaunt wie gut das Wasser aus Duisburg schmeckt. Also lautet die versteckte Botschaft, wenn es denen schmeckt, dann sollte sich in Duisburg doch auch jeder über das gute Leitungswasser freuen.

“Ökotest 2020”: “Viel ärgerlicher ist jedoch die Belastung von Trinkwasser mit Uran. Das international bekannte stille Wasser “Evian” von Danone Waters überschritt den Grenzwert für Uran. Das chemische Element kann Nieren und Lungen schädigen und sich im menschlichen Körper anreichern. Danone Waters wirbt damit, dass “Evian” zur Zubereitung von Babynahrung geeignet sei – das ist es nicht”.

Wir verbleiben drei Tage auf einem Campingplatz hoch über dem Genfer See: Steiler Aufstieg, mühsam zum Laufen, aber phänomenaler Ausblick über den See bei Sonne und 25 Grad, herrlich.

Nachfolgend eine Bildergalerie von unserem Besuch der schönen Stadt:

Hier endet nun unsere Tour de France und wir bleiben dennoch in den Bergen… Dies lest gerne im nächsten Blog.

Au revoir, bis bald, Eure SuMi im TrauMobil


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Kommentare

6 Antworten zu „Bonjour, französische Alpen“

  1. Avatar von Christina
    Christina

    Wieder einmal sehr interessant, was Ihr zu berichten habt. Für mich insbesondere die Geschichte von dem Postboten Cheval und die Farce über das Wasser aus Evian und dessen unglaubliche Transportwege. Gut auch, wie ich finde, dass Susanne mit ihrer Rezession standhaft geblieben ist.
    Vielen Dank für den unterhaltsamen und interessanten Reisebericht 👍🏻👏🏻.
    Eine gute Weiterreise wünscht Euch
    Christina

    1. Avatar von Michael
      Michael

      Liebe Christina,

      danke für Deinen Kommentar.
      Alles Gute für Dich und Deine nächsten Wege und Wegkreuzungen.
      Michael

  2. Avatar von Michael

    Sehr schöner Beitrag!
    Den Palais Ideal hacken wir dieses Jahr auch auf unserer Liste.
    Wir sind jetzt seit 28.3. unterwegs in Italien und werden wohl in den nächsten Tagen nach Frankreich. Eines unserer liebsten Reisenden.
    Viel Spaß weiterhin
    Michael

    1. Avatar von michael
      michael

      Hallo Michael,

      danke für Deinen Kommentar.
      Euch eine gute Reise und allzeit sichere Fahrt.
      Michael

  3. Avatar von Elizabeth Fry
    Elizabeth Fry

    Herzlichen Dank für die schönen Bilder und interessanten Berichte. Die Geschichte des Evian-Wassers war besonders aufschlussreich.
    Die Bilder vom Genfer See haben mein Herz dann doch noch höher schlagen lassen – eben “Wasser”.

    1. Avatar von michael
      michael

      Grüß Dich Lizz,

      danke für Deinen Kommentar.

      Viele Grüße vom Vierwaldstätter See in der Schweiz.
      Michael

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