Nachdem ich nach zwei Wochen Flüchtlingshilfe in Bihac zu einem anderen Einsatzort wechselte, war ich schließlich vom 15. Oktober bis 05. Dezember ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe in Klujc in Bosnien tätig. Ich war eingesetzt in der kleinen Station des Roten Kreuzes Klujc, die an der Grenze zwischen dem Kanton Una-Sana im Nordwesten des Landes und der Republik Srpska liegt.
Direkt neben der Station steht 24 Stunden lang eine Polizeistreife. Die Beamten kontrollieren alle Menschen, die in den Kanton einreisen wollen und holen nach einer Weisung der Regionalverwaltung alle Flüchtlinge aus Autos und Bussen; diese müssen dann zunächst bei uns übernachten, bevor sie im Dunkeln und unbeobachtet von der Polizei oder von denunzierenden bosnischen Bürgern zu Fuß zur bosnisch-kroatischen Grenze gehen.
Die Regionalverwaltung des Kantons und insbesondere deren oberste Politiker sind mehrheitlich gegen Flüchtlinge eingestellt und daher rühren auch die vielen Schwierigkeiten her, unter denen die Geflüchteten, die zu uns kamen, zu leiden hatten: Sie durften zum Beispiel nicht in privaten Autos reisen/mitgenommen werden und nur bestimmte Busverbindungen nutzen.
Politiker hetzten auch in ihren Reden gegen die Geflüchteten – im November besonders, da dort Regionalwahlen anstanden – und teilweise meldeten Bürger die von ihnen gesichteteten Flüchtlinge der örtlichen Polizei, die diese dann wieder zu uns zum Roten Kreuz zurück brachte.
Die Geflüchteten – meist aus Afghanistan, Pakistan oder Syrien – kamen zu uns entweder aus Sarajevo, um dann zu Fuß oder mit Untergrundtaxen gegen Bezahlung in Richtung kroatische Grenze und damit in die Europäische Union weiter zu kommen, oder sie kamen von der Grenze zurück zu uns, nachdem ihr Fluchtversuch über die Grenze zu Kroatien gescheitert war. Sie nehmen teilweise lange Wege durch mehrere Länder auf sich.
Viele wurden dort von den kroatischen Polizisten unter Missachtung der europäischen Rechtsprechung, dass jedem Flüchtling ein Asylverfahren zu gewähren ist, aufgegriffen. Ihnen wurden Handys, Geld und teilweise Kleidung abgenommen – teilweise liefen sie nackt durch die Wälder – , sie wurden verprügelt und gedemütigt und dann wieder in Bosnien im Wald ausgesetzt. Von dort kamen sie dann völlig entkräftet bei uns an. Bei uns erhielten sie medizinische Hilfe, neue Kleidung, Lebensmittel, ein warmes Lager und vor allen Dingen Nähe und Gespräche durch uns.
Im folgenden sprechen Bilder und kleine Videos von meinem Erleben in Klujc. Diese können natürlich nicht annähernd meine bewegenden und berührenden Erlebnisse mit diesen Menschen, die ich Gäste nenne, widerspiegeln; aber ihr bekommt einen kleinen Eindruck.
Sehr bewegend war für mich zum Beispiel das Erleben und der Abschied mit und von Ali, der mir zu einem guten Freund geworden ist;
Und Spaß hatten wir auch:
Das Wiedersehen mit einer Familie, die ich bereits auf Lesbos kennengelernt hatte und mit deren Tochter ich damals Clownerie gemacht hatte, war eine Freude; sie begrüßten mich mit einem entsprechenden Handyphoto. Das war einserseits zwar berührend, andererseits machte es mir leider auch deutlich, das die Familie es in einem Jahr nicht weiter geschafft hatte als von der griechischen Insel Lesbos nach Bosnien zu kommen.
Und so sind es viele kleine Geschichten und Gefühle, die mich geprägt haben.
Traurige Momente:
Aber auch Glücksmomente:
Und so endete meine Arbeit am 05. Dezember 2020 beim Roten Kreuz in Klucj in diesem schönen, aber leider politisch zerrissenem Land.
Das letztere wird jedoch wettgemacht durch die zugewandten, emphatischen und sehr gastfreundlichen Menschen, denen ich hier begegnet bin.
Übertroffen wird es noch von dem tollen Team des Roten Kreuzes hier in Klucj. Sie haben mich so wunderbar und selbstverständlich aufgenommen in ihr Team, als ob ich schon jahrelang hier gewesen wäre; ich habe hier so viel lernen dürfen und neue Freunde gewonnen, die ich nicht vergessen werde.
Und damit es mir besonders schwer fällt zurück nach Deutschland zu gehen, haben sie mich zum Abschied noch mit schönen Geschenken überhäuft.
Wenn es überall und immer mehr solche wunderbaren Menschen in der Flüchtlingshilfe gibt, wird mir nicht bange, dass den vielen Geflüchteten in unserer Welt gut geholfen werden kann.
Der Wahlspruch von Karlheinz Böhm (Gründer einer Hilfsorganisation in Äthiopien)trifft es genau:
„Menschen für Menschen.
Es gibt keine erste, zweite oder dritte Welt.
Wir alle leben auf ein und demselben Planeten,
für den wir gemeinsam die Verantwortung tragen.”
Danke hiermit nochmal für alle Spenden, sowie all denen, die in Gedanken und im Gebet mich unterstützt haben und bei mir waren.
Euer Micha
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