Vor mehr als 40 Jahren, damals war ich noch klein und schmächtig (klein bin ich heute immer noch) fuhr ich zusammen mit meinen Klassenkameradinnen und der Französischlehrerin in eine mittelgroße Stadt in der Bretagne: Pontivy.
Das ist die Partnerstadt von der ebenso mittelgroßen Stadt Wesseling am Rhein, nahe bei Köln. Ich hatte dort eine französische Brieffreundin namens Michèle. Ich durfte in ihrer Familie, bestehend aus beiden Eltern, der ältesten Schwester Josette, der zweiten Schwester Annie, Michèle selbst und dem jüngsten Sohn Jean-Hubert, für eine Weile das Leben einer französischen Familie erleben und vor allem dort Französisch lernen (letzteres hat ja leider nicht für ewig gehalten). Irgendwann besuchte mich Michèle in Wesseling und ich sie noch zwei weitere Male in Pontivy.
Nun sind wir beide wesentlich älter, jede verheiratet, Mütter und inzwischen auch beide Großmütter. Der Kontakt war zum Glück nie ganz abgebrochen. Die Aufregung meinerseits ist entsprechend groß, nach so vielen Jahren sehe ich die Familie wieder in Pontivy.
Michèle lebt inzwischen mit ihrem Mann in der Nähe von Toulouse, daher besuchen wir zunächst ihre Eltern und Schwester Annie, die von allen (außer ihrem Mann) Nanou genannt wird. Nanou ist so nett und kommt extra zu ihren Eltern, um uns beim Übersetzen zu helfen – sie spricht zum Glück gut Englisch.
Es ist unglaublich: Wir werden beide ebenso herzlich und liebevoll begrüßt, wie ich alleine vor vielen Jahren; Nanou kommt mir mit offenen Armen entgegen. Wie groß ist die Wiedersehens-Freude! Es ist mir so unendlich peinlich, dass ich mich nicht richtig ausdrücken kann und ich stammele ähnlich wie vor 40 Jahren herum. Aber das scheint keinen in der Familie zu stören, Mutter und Vater umarmen uns und wir werden ins Haus gebeten. Hier war ich also schon mal. Ob ich mich noch erinnern kann, werde ich des Öfteren gefragt. Nun ja, so ein wenig kommt es mir noch bekannt vor. Wir starten mit Café au lait sowie „pain au chocolat“ (nämlich nicht Schokocroissant – wie es in Deutschland genannt wird) und später zum Abendessen gibt es weitere gute Köstlichkeiten in mehreren Gängen. Dazwischen tauschen wir Erinnerungen, Geschenke und nette Worte aus.
Als dann gegen Abend noch Jean-Hubert aus Saint Brieux sich zu uns gesellt, sind wir längst im Kreis der Familie aufgenommen worden und lachen und scherzen über vergangene Kuriositäten, Erinnerungen, Politisches, Weltliches und unser Durcheinander aus deutsch, englisch und französisch. Die Zeit vergeht wie im Flug.
Beide Eltern sind inzwischen weit über 80, aber top fit. Sie erinnern sich noch haargenau an meine Zeit bei ihnen. Als der 89 jährige Vater uns von seinem Berufsleben berichtet, hören wir gespannt zu. Der arme Mann ist doch tatsächlich vor zwei Tagen beim Aufziehen seiner großen Standuhr von derselben fast erschlagen worden, als diese auf ihn kippte. Gott sei Dank ist er mit diversen blauen Flecken und Hämatomen besonders im Gesicht davon gekommen. Der Abschied am späten Abend ist schwer, ein Umarmen und französisches Küsschen rechts und links, lange Zeit das Winken vor der Tür. Ob ich die Eltern noch einmal wieder sehen werde?
Wir folgen Nanou, die in ihrem Auto zu ihrem Haus in Saint Nolff fährt. Es liegt ca. eine Stunde entfernt von Pontivy und wir erreichen es fast in der Nacht, wo ihr Mann Robert bereits auf uns wartet; vor allem aber sicherlich auf seine liebe Frau Annie.
Nanou und Robert leben in einem großen schönen Haus mit einem noch größeren Garten. Darin befinden sich zwei eigene Hühner, Kiwibäume, Apfel-, Birnen-, Walnuss- und Haselnussbäume, jede Menge Gemüse, Kräuter und diverse selbst biologisch angebaute Gartengewächse. Wir werden eingeladen, in ihrem Haus im Gästezimmer zu nächtigen; das nehmen wir gerne an.
Tags darauf fahren wir gemeinsam in Roberts Auto zum großen Wochenmarkt nach Vannes. Diese wunderschöne Stadt mit herrlichen alten Fachwerkhäusern, einer Burgmauer samt Burgtürmen und Parkanlage, einer schönen Kirche und vielen kleinen von freiwilligen Bürgern gestaltete Gärten liegt ca. 11 km von Saint Nolff entfernt.
Der Wochenmarkt bietet alles, was man braucht; vor allem hat er einige biologische Stände. Nanou und Robert sind hier Stammkunden und wir werden überall vorgestellt und ebenso nett bedient (das wäre aber sicher auch ohne die Bekanntschaft gewesen).
Am Nachmittag kommt Jean-Hubert nochmal und gemeinsam verbringen wir interessante und vor allem amüsante Stunden in der „Burg Suscino“ im selbigen Ort.
In Sarzean an der südlichen bretonischen Atlantikküste spazieren wir am und teilweise auch mit den Füßen im Meer. Bis zum Sonnenuntergang fährt uns Jean-Hubert an alle möglichen wunderschönen Plätze und erklärt uns alles in Englisch. Es ist wie ein schöner Urlaub mit Freunden und gleichzeitig einem persönlichen Reiseführer. Nach den leckeren „Galettes“ mit Käse, Tomaten, Salat und frischen Feigen (vom Nachbarn) müssen wir nun leider richtig Abschied von Jean-Hubert nehmen. Er fährt zurück nach Saint Brieux, wo seine Frau (sicherlich sehnsüchtig) auf ihn wartet. Ich bin sehr gerührt, weil auch Michael sehr herzlich gedrückt und verabschiedet wird. Wir konnten uns trotz der Sprachbarrieren über so vieles unterhalten, hatten bei manchem die gleiche Ansicht und es gab immer wieder lustige Momente.
In der Nacht werden wir kurz von einem lauten Krachen geweckt, können aber wieder einschlafen. Ganz im Gegensatz zu Nanou und Robert, die die halbe Nacht damit zubrachten, ihren Waschraum und den Flur trocken zu legen. Ein Wasserhahn war aus der Verankerung gebrochen. Dennoch sind die Beiden am nächsten Tag fit genug, um mit uns nach Morbihan, nach Carnac zu fahren. Hier stehen die „Alignements“ von Carnac (aufgestellte in einer Reihe angeordnete Steine). Diese außergewöhnliche „Megalithanlage“ mit über 6.000 Jahre alten Megalithen (große unbehauene Steinblöcke) wurden in der Jungsteinzeit zwischen dem 3. und dem 5. Jahrtausend v.Chr. von sesshaft gewordenen Gemeinschaften errichtet. Teilweise stehen die Steine wie Gräber in langen Reihen und einige „Dolmen“ (bretonisch Steintisch) sind wie Grabkammern mit Steindach bedeckt und horizontalen Steinen begrenzt. Über eine Länge von 950 m erstreckt sich das Feld mit 1050 Steinen im Dorf „Le Ménec“.
Niemand weiß so genau, warum die Steine hier stehen und wer sie so angeordnet hat. Oder war es doch „Obelix“, der seine Hinkelsteine hier vergessen hat?
Auf dem Rückweg halten wir noch in der kleinen Hafenstadt La-Trinité-sur-mer und bestaunen unzählige Segelyachten.
In Saint Nolff verabschieden wir am Abend den Sohn Florent, der am Wochenende bei seinen Eltern Nanou und Robert war und nun sein Studium als Umwelt-Manager beginnen wird.
Auch für uns endet die wunderschöne Zeit mit Nanou und Robert am folgenden Tag. Wir werden zum Abschied eingedeckt mit Nüssen vom eigenen „Noisettebaum“, Feigen, Käse vom Markt und Eiern von den beiden Hühnern. Mit liebevollen Umarmungen und den besten Reisewünschen machen wir uns auf den Weg.
Wir landen nach nicht zu langer Fahrt in Pornic-sur-mer, im kleinen Vorort Sainte-Marie. Mit etwas Glück finden wir einen tollen kostenlosen Stellplatz direkt am Sandstrand mit kalter Strand-Dusche und WC und genießen hier zwei herrliche Tage am Strand am und im Atlantik.
Es ist so wunderbar liebenswerte Menschen kennen zu dürfen und wir sind glücklich, dass die gesamte Familie uns so freundlich empfangen und aufgenommen hat. Der Kontakt wird selbstverständlich weiter aufrecht erhalten!
Sobald wir weiter im Süden bei Toulouse sein werden, besuchen wir auch Michèle mit Ihrem Mann …und berichten dann wieder.
SuMi im TrauMobil
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