
Wie Susanne im vorherigen Blog-Eintrag bereits erzählt hat, wartet sie während meines Jakobsweges auf mich im “Rustic Vintage Camping” in Vilamoura.
Am 28. Februar starte ich dann meinen Jakobsweg von Lissabon nach Santiago de Compostela; eine Stecke von insgesamt 645 Kilometern liegt vor mir.
Bis auf die erste Übernachtung in Lissabon habe ich keinerlei Herbergen vorgebucht.
Nach einer Idee von einem ehemaligen Pfarrer meiner Heimatgemeinde habe ich meinen Jakobsweg als „Friedensweg 2025“ geplant:
Während meiner Wanderung will ich von verschiedenen Menschen auf meine Frage: „Was bedeutet Frieden für Dich?“ kurze Videomitschnitte sammeln; das ist mir auch gut gelungen.
Viele Menschen begleiten mich per SMS- und WhatsApp-Nachrichten, das tut mir gut und gibt mir immer wieder Energie.
Energie brauche ich, denn bis auf zwei Tage wandere ich jeden Tag im Regen, teilweise morgens bereits beginnend mit Sturzregen. Das ist auch der Grund, warum ich nach 313 Kilometern beschließe, den zweiten Teil meiner Wanderung von Porto nach Santiago de Compostela zu einem anderen Zeitpunkt zu gehen und meine bisherigen Erfahrungen und Erlebnisse zunächst mit Menschen in Deutschland zu teilen.

Ein besonderes Erlebnis:
Ich bin mit Yuri (Südkorea), Kylie (aus Kanada) und Claudine (aus Frankreich) seit dem Morgen im Dauerregen unterwegs. Wir sind alle ziemlich erschöpft und sehnen uns nach einem Café am Wegesrand, um wenigstens einmal trocken zu verschnaufen und die Füße etwas zu erholen.
Wir kommen nach einem steilen Aufstieg in einem sehr kleinen Dorf an – und es gibt tatsächlich ein klitzekleines Café.
Tropfnass am Kopf komme ich herein. In einer Ecke sitzt eine Gruppe von älteren Damen. Eine steht plötzlich auf und trocknet mir mit einer Serviette die Haare und den Kopf – wunderbar.
Aber dabei bleibt es nicht. Als ich die Damen bitte, uns doch ein traditionelles portugiesisches Lied zu singen, verneinen sie zwar, aber die Dame mit der Serviette dreht den Spieß um und beginnt mit mir einen Tanz, siehe nachfolgenden Link zum Video. Wir haben alle sehr viel Freude an diesem Erlebnis und es gibt uns wieder Energie, im Dauerregen loszugehen.
Auf meinem Friedensweg lerne ich so viele wunderbare Pilger aus zahlreichen Ländern kennen: Südkorea, Frankreich, Vereinigte Staaten von Amerika, Türkei, Italien, Kanada und einige mehr.
Es sind Menschen, die sich eine Auszeit nehmen, die sich an einer Lebens-Wegkreuzung befinden, eine spirituelle Erfahrung machen möchten oder einfach das Abenteuer erleben möchten.
Ich erlebe eine überwältigende Offenheit dieser Pilger, wir teilen nicht nur solidarisch unsere Zeit und unser Essen, sondern auch unsere bisherigen Lebensthemen; auch ich nehme aus diesen Erlebnissen viel für mich mit und es wird mich auf meinen weiteren Wegen sicherlich prägen.
Hier einige photographische Eindrücke:

Ich bin ein klassischer deutscher Frühstücker ohne Abwechslung:
Zwei Graubrotschnitten, eines mit Marmelade, eines mit Lotus-Creme, Kaffee und Joghurt.
Damit komme ich in Portugal aber nicht weiter.
Hier ist mein Standard – Frühstück: Pastel de Nata und Kaffee.

Mitten im Nirgendwo:
Eine Schaukel “nur für Pilger”(siehe Holzschild).
Yuri und ich probieren sie direkt aus.

Yuri aus Südkorea ist eine wunderbare Mitpilgerin; wir sind mehrere Kilometer gemeinsam durch den Regen gewandert.
Was mich an ihr besonders fasziniert:
Sie hat immer ein Lächeln im Gesicht – dadurch wird mir das Weiterlaufen oftmals erleichtert.
Yuri hat mir auf Koreanisch „Prost“ beigebracht:
Es wird „Kombäääääh“ mit weit geöffnetem Mund ausgesprochen; das wird dann auf dem weiteren Weg unser Running-Gag.

Bei Lorenzo (links im Bild, Herbergsvater mit italienischen Wurzeln) haben wir einen wunderbaren Abend. Matteo, auch Italiener, der einen Teil mit uns gepilgert ist, bereitet mit von uns gekauften Zutaten ein typisches italienisches Essen. Wir sitzen bis spät abends zusammen und es ist sehr fröhlich und lustig.
Wir berichten uns gegenseitig von unseren bisherigen Lebensabschnitten, haben viel Freude miteinander und wir nehmen alle so viel Energie für unseren weiteren Weg auf, herrlich!
Wie bereichernd, wenn Menschen aus verschiedenen Nationen so unkompliziert miteinander kommunizieren und eine gemeinsame gute Zeit verbringen.

Diana und Joan wünschen sich einen Eintrag in ihr Gästebuch in Deutsch.




Wunderbare Idee meiner Tochter Silja:
Da ich ja im Rucksack nicht so viel Platz habe, hat sie mir eine kleine Streichholzschachtel mit Photos meiner Familie gebastelt. Diese hat auch den Dauerregen etwas aufgeweicht überstanden; nun schmücken die Photos unser Knuffel-Wohnmobil.
Mir geht es wie vielen anderen Pilgern auch:
Obwohl ich nur 8 Kilogramm Kleidung etc. im Rucksack habe, ist es doch aufgrund des vielen Regens der falsche Inhalt. Ich muss mir eine bessere Regenjacke, einen besseren Schlafsack, Trekkingstöcke und sogar Handschuhe (und das im März!!!) kaufen.
Schöne Idee in der Pilgerherberge in Porto:
Was die Pilger nicht mehr benötigen, liegt in einem offenen Regal für jeden, der etwas davon braucht.
Also lasse ich auch einige meiner Kleidungsstücke hier für andere Pilger.

…wozu eine ausgediente Telefonzelle auch nützlich sein kann:
Hier in Porto sind dort Decken für obdachlose Menschen deponiert.

Die Wege sind entgegen den Beschreibungen in Internetforen gut ausgeschildert: Mal sehe ich Stelen mit blauen Kacheln, mal nur aufgemalte Pfeile.
Wenn ich einmal den weiteren Weg nicht erkennen kann, frage ich Portugiesen. Sie sind immer sehr freundlich und hilfsbereit. Sie rufen mir aus Häusern oder aus dem Auto „Bon Camino“ oder „Bon Voyage“ oder ähnliches zu, das baut mich trotz des schlechten Wetters immer wieder auf.
…hier unter anderem zu sehen ein Orangen-Willkommensgruß auf einem Wegweiser an einem einzelnen Haus im Nirgendwo.

Die Pilgerwege nach Fatima und Santiago de Compostela gehen eine Weile zusammen, dann trennen sich die Wege; daher musste ich immer nach dem gelben Zeichen Ausschau halten. In den einsamen Gegenden, in denen ich unterwegs bin, sehe ich viele solcher verlassenen und zerrütteten Häuser. Auf meine Nachfrage bei Portugiesen erklären mir diese, dass es meistens Häuser sind, die nach dem Tod der dort wohnenden Eltern von den Kindern verlassen wurden, da diese ihr Glück und Auskommen im europäischen Ausland suchen (Portugal ist nach wie vor das ärmste Land in Westeuropa).

Einer der wenigen “trockenen Tage” (Regenschutz nur zur Vorsicht) unterwegs. Manchmal müssen wir auch unter Zäunen hindurchklettern, um wieder auf den richtigen Weg zu gelangen (es ist halt wie im wahren Leben, dass man auch Umwege nehmen muss, um an das eigentliche Ziel zu gelangen).

In Tomar mache ich einen Zwischenstop:
Aufmerksame Leser unseres Reiseblogs wissen, dass wir 2018 dort bei der Familie Deeschemaker auf einer Olivenfarm gearbeitet haben. Nun holen mich Joke und Gerben in strömendem Regen ab und wir fahren zu ihrem Haus. Wir erzählen uns viel und lassen alte Zeiten aufleben. Später bringen sie mich noch zur Olivenfarm “Quinta do Souto” von Deeschemakers, wo ich auch noch Joram und Jonas treffe. Hier bekomme ich ein warmes trockenes Bett verbunden mit vielen Erinnerungen an die damalige Zeit. Am Folgetag bringen mich Joke und Gerben zum Jakobsweg hinter Tomar, damit ich dort meinen Weg fortsetzen kann.
Hier unser Abschiedsbild auf der Treppe der Farm:

Dieser Weg und die gesammelten Friedensbotschaften haben sowohl mich als auch die interviewten Menschen berührt und beschäftigt. Manche brauchen etwas Zeit, um eine für sie passende Antwort zu finden, manche machen es sehr spontan. Nachfolgend sagen viele, dass sie diese Idee gerade in der heutigen Zeit sehr gut und wichtig finden und sie dadurch selber in’s Nachdenken gekommen sind.
So hat dieser Weg nicht nur mir sehr viel Input gegeben, sondern auch den Menschen, die mir begegnet sind – das war auch mein Ziel.
Hier einige ausgewählte Friedensbotschaften (insgesamt waren es 45 Interviews); teilweise sind die deutschen Untertitel zu schnell zuim Lesen; anders habe ich es aber leider nicht hinbekommen:
Werde ich den zweiten Teil des Weges von Porto nach Santiago de Compostela noch gehen?
Ich möchte es schon gerne. Ich habe so viele wunderbare Menschen auf meinem Weg getroffen. Ich habe auch an den Regentagen die grandiose Natur genossen und ich habe mich sehr wohl in der Stille der Natur gefühlt.
Aber – Die Wege und Kreuzungen meines Lebens kenne ich nicht im Voraus – und das ist gut so.
Danke an alle, die mich in Gedanken, Nachrichten und im Gebet begleitet haben; ihr wart mir eine gute Unterstützung.
Seid behütet auf all‘ Euren Wegen!
Euer Michael

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